Die Flamme fällt durch den Flaschenhals, ich probiere seit Stunden Quantenphysik zu verstehen doch die Begriffe prallen an meinem harten Schädel ab. Raum-Zeit-Kontinuum und Paralleluniversen, Inertialsysteme und nichts davon lässt sich mit den Händen greifen und ich glaube eigentlich nicht an Einstein, aber er flüstert mir ein, dass es keine absolute Zeit gibt, und das bleibt an meinen Hirnhäuten kleben.
Die Zeit ist elastisch. Seit einigen Monaten verklumpen sich alle Sekunden zu einer pulsierenden Masse. Wenn die Lichter ausgehen, betrachte ich sie im Dunkeln von allen Seiten. Ich halbiere sie mit dem Sackmesser auf meinem Nachtisch, um wie bei einem Baum die Ringe zu zählen. Es bringt mir nichts. Selbst wenn ich die Sekunden zähle, könnte ich dir nicht sagen, wie lange der 8. August des letzten Jahres her ist. Das Gummituch hat sich eng an mich geschmiegt und ich warte darauf, dass es mich freilässt.
So wie ich mir vorstelle, dass andere Leute an Gott glauben, klammere ich mich an die Theorie, dass Raum und Zeit nicht unabhängige, messbare Grössen sind. Es ist einfacher zu glauben, dass die Uhren lügen und die Dimensionen endlos sind. Wenn das stimmt, dass die Zeit elastisch ist, dann bedeuten die 22 550 400 Sekunden seit du den Kaffeefleck auf meiner Matratze gemacht hast vielleicht gar nichts. Dann ist es auch egal, dass ich mit 21 nicht weiter als bis nächsten Mittwoch geplant habe, oder dass ich seit Weihnachten immer wieder scheitere, dir den Pulli, den du noch bei mir hast, zurückzuschicken.
Im Wahn lässt sich die Welt leichter drehen. Ein Schlafzimmer kann heute Abend ein Fumoir aus den Achtzigern sein. Der letzte August kann von mir aus bis morgen früh andauern und mein Alter messe ich ab sofort in Zimmerpflanzen, die ich habe sterben lassen. Die Zeit ist elastisch. Viel mehr weiss ich ehrlich gesagt nicht.
Ein Text von Noa Asena Torsello