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Doppelmoral lässt grüssen – Hat Deutschrap immer noch ein Sexismus-Problem?

Seit Januar 2020 eroberten 21 Deutschrapper den Thron der deutschen Charts – bei den Rapperinnen sind es hingegen nur deren 7. An sich ist das kein Problem. Schliesslich gibt es nun mal viel mehr männliche Rapper im Business als weibliche.
Schwesta Ewa, Shirin David, Nura, Juju, Die P, Haiyiti, Loredana und LAYLA in einer Collage mit Dollarscheinen im HIntergrund

Schaut man sich aber die Kommentare unter den jeweiligen Charts-Posts an, heisst es bei den Männern oft: «Verdient!» oder «Weil er einfach der Beste ist». Und bei den Frauen? Da stehen Sachen wie «Wer hört sich diese Scheisse eigentlich an?», «Das ist so gekauft» oder «Habe den Glauben an die Menschheit verloren»*. Hat der Deutschrap ein Sexismus-Problem?

Jein. Für das Benehmen und Tun gewisser pubertierenden Fans können die meisten Rapper eigentlich nichts dafür. Aber einige von ihnen können dieses Verhalten ankurbeln, gar provozieren. Wenn zum Beispiel ein Bonez MC – vorgefallen im Jahr 2020 – in seiner Instagram-Story rauslässt, dass Frauen heutzutage «nix, ausser wie ein Opfer mit Shisha Schlauch und Filter in der Fresse Selfie Videos machen» können, ist es nicht verwunderlich, dass seine Anhänger solch faszinierenden Sprachkünste adaptieren.

Mittlerweile kann man – mit Stolz – sagen: Ja, Frauen dürfen in der Deutschrap-Szene mitmachen. Und ja, Frauen werden grundsätzlich im Rap-Business akzeptiert und gehört. Künstlerinnen wie Juju, Loredana und Shirin David haben sich längst in der Szene etabliert und beweisen können. Und mit Layla, Aylo, Die P und Co stehen talentierte Untergrund-Rapperinnen in den Startlöchern, die (noch) nicht der breiten Masse bekannt sind. Deutschrap ist also so weiblich wie nie zuvor. So weit so gut. Aber: Jede einzelne Aktion der eben genannten wird genauestens beobachtet, intensiv kommentiert und schlimmstenfalls kritisiert. Aus diesem Grund geraten Rapperinnen dementsprechend öfter ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit als ihre männlichen Pendants. Sei es auch nur wegen eines etwas freizügigeren Outfits.

Doppelmoral lässt grüssen! Bei Musikvideos von Rappern, wo der Fokus sehr oft auf leicht bekleideten Frauen – untermalt mit sexistischen Texten – liegt, ist dies nämlich nicht der Fall. Dort wird diese Darstellung sogar mit «Kunstfreiheit» verteidigt. Das darf nicht sein.

Stellt sich die Frage: Wann werden Frauen endlich ernst genommen in dieser angeblichen Männerdomäne? Spätestens, wenn misogynes Verhalten in der Szene Konsequenzen hat. Konsequenzen, die einen männlichen Rapper mal von dessen Grössenwahn befreien würden. Ohne jemandem etwas Böses zu wünschen. Natürlich.

Vor circa drei bis vier Jahren erlebte der Deutschrap einen grossen Umschwung. Die neue Devise? Möglichst viel Autotune. Musik für die breite Masse. Und: Alles für den Erfolg. Das Publikum wird jünger und jünger, die Anhänger wollen so werden wie ihre Idole. Rapper haben also eine Vorbildfunktion. Heisst: Solange sich die Attitude der Rapper nicht ändert, wird es auch bei den Fans nicht besser. Die gute Nachricht? Es scheint bergauf zu gehen. Sexistische Aussetzer, wie es bei Bonez der Fall war, treten immer seltener auf.

Und weil es eine grosse Anzahl der «Fans» nicht zu wissen scheint: Man muss sich die Musik einer Rapperin nicht anhören, wenn man kein Fan ist. Aber dies geht auch ohne negative Kommentare und Hasstiraden. Ein Klick auf den «Weiter-Button» – und man kann wieder die Künstler unterstützen, denen man wirklich den Geldbeutel füllen möchte.

 

*obige Kommentare sind nur Beispiele – unter den unzähligen sind natürlich auch positive Kommentare zu finden.

 

Text: Dunja Moustopoulos

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