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R/place: Wenn das Internet gemeinsam Kunst macht

Reddit hat sein interaktives Kunstexperiment r/Place zurückgebracht. Vier Tage lang hatten Menschen aus aller Welt Pixel gesetzt, sich gestritten und gemeinsam Kunst erschaffen. Jetzt hat Reddit den virtuellen Malplausch wieder beendet.

Am 1. April 2017 wurde der Subreddit r/place eröffnet. Für 3 Tage war r/place eine interaktive Leinwand, die 1000 auf 1000 Pixel gross war. Jede*r User*in konnte einen farbigen Pixel setzten, musste danach aber 10 Minuten warten, bis sie weitermalen konnte. Die Idee dazu hatte Josh Wardle, der heute für das Wortspiel „Wordle“ berühmt ist.

Am 1. April dieses Jahres startete Reddit einen neuen Versuch und reaktivierte die beliebte Pixelleinwand. Diesmal durften die User*innen alle fünf Minuten einen Pixel setzten. Zudem wurde die Leinwand stetig grösser, bis sie 4000 auf 4000 Pixel erreichte. Im Gegensatz zu 2017, war die Community diesmal aber vorbereitet. Als r/place online ging, bildeten sich sofort Gruppierungen, welche durch koordinierte Angriffe ihre Motive umsetzen wollten. Die Communities koordinierten die Attacken auf ihren jeweiligen Subreddits (das sind Foren auf Reddit, in denen es sich um ein spezifisches Thema dreht) oder sprachen sich auf Discord ab. Schnell fanden die Bronies, die Anhänger von r/fuckcars, die Cryptobros und viele andere Subkulturen ein gemütliches Plätzchen auf der Leinwand. Dann kamen die Twitch-Streamer.

Ein Auszug aus r/place

 

Twitch Streamer dominieren

2017 war Twitch nur Nerds ein Begriff. Heutzutage ist Amazons Live-Streaming Plattform Marktführer. Gemäss dem Twitch Tracker, sind täglich 2.71 Millionen Menschen auf der Seite aktiv. Zum Vergleich: 2017 waren es nur 747 Tausend Menschen, die sich täglich Content auf Twitch gönnten.

Sobald r/place online ging, machten die ersten Streamer Content daraus. Streamer Titanen wie xQc (10,4 Millionen Follower), Ibai (9,8 Millionen Follower) oder HasanAbi (2 Millionen Follower) bekämpften sich gegenseitig oder schlossen Allianzen. Die gemeinsame Malerei entpuppte sich als Content-Goldmine, jeder grosse Streamer schickte seine Follower*innen in den Pixelkrieg – mit der Hoffnung, sich auf der virtuellen Leinwand verewigen zu können.

Hasbulla vs Frankreich

HasanAbi, ein sozialistischer Twitch Streamer, war der Meinung, dass Frankreich zu viel Platz auf der Leinwand eingenommen hatte. Infolgedessen versuchte er mit seiner Community und einer Allianz von anderen Streamern, den Memegott Hasbulla auf r/place zu verewigen. Direkt auf der französischen Flagge. Die Folgen: Es gab hitzige Diskussionen mit französischen Streamern, welche ihre Flagge verteidigen wollten. Zudem standen Anschuldigungen im Raum, dass die Franzosen nur mithilfe von Bots, einen so grossen Flecken Land verteidigen konnten. Die Franzosen stritten das vehement ab, auch wenn es Beweisvideos von französischen Bots in Aktion gab. Wie im echten Krieg wurde auf beiden Seiten Propaganda verbreitet, Allianzen geschmiedet und diplomatische Beziehungen zerstört. Das Franzosen Drama fand seinen Höhepunkt, als der rechtsextreme französische Politiker und Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour sich auf Twitter zuschaltete und seine Nation dazu aufrief, die eigenen Landesfarben zu verteidigen. Auch wenn es nur auf Reddit ist. Den Krieg gegen Frankreich hat Hasbulla leider verloren, aber der Tweet von Eric Zemmour ist für die Ewigkeit.

 

Das Ende von r/place

In der Nacht vom 4. auf den 5. April (Schweizer Zeit), konnten Reddit Nutzer*innen plötzlich nur noch weisse Pixel hinterlegen. Die ganze Community zerstörte daraufhin ungewollt ihre Kunstwerke und „the white Void“ breitete sich rasant aus.

Wenn man heute auf r/place geht, wird man von einem weissen Nichts empfangen. Das soziale Mal-Experiment ist offiziell vorbei. Die Twitch Streamer streamen wieder Videospiele wie Eldenring, spielen Roulette in Onlinecasinos oder verbreiten die klassischen Arbeitswerttheorie von Marx. Und auch die Subreddits gehen wieder ihren Alltagstätigkeiten nach. Zurück bleibt ein noch stärkeres Gefühl, Teil einer Community – Teil von etwas ganz Grossem – zu sein.

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