Text von

Giulia Di Romualdo

Trotti im Trend

Es wird vom 50-jährigen Geschäftsmann bis zum fünfjährigem Kindergartenkind fleissig benutzt: das Trotti. Schon seit einigen Jahren ist der Boom um das zweirädrige Fahrgestell immer grösser geworden. Viele Menschen sind sich jedoch der Regeln und Gefahren nicht bewusst. Um herauszufinden, was dagegen gemacht werden kann und wie sich der Trend weiterentwickeln könnte, habe ich mit Trotti-Experte René Lauper gesprochen.

Das Trottinett ist überall. Wir sehen Grundschulkinder, Pendler*innen oder auch ganze Familien, die mit dem Trotti unterwegs sind. Die Tretroller werden als praktisches Transportmittel für kurze Strecken, wie etwa auf dem Schulweg, auf dem Weg zur Bushaltestelle oder auch zum Supermarkt genutzt. Denn: Mit dem Trotti ist man im Schnitt dreimal schneller als zu Fuss.

Die Regeln, die für alle Nutzer*innen der Trottis gelten, sind aber vielen Leuten nicht bekannt.

Meret, 15 Jahre und Schülerin aus Biel, fährt in ihrer Freizeit viel mit ihrem Trick-Trotti. «Ich halte mich an die Velo-Vorschriften, aber könnte dir jetzt keine Regel zitieren. Rücksicht ist im Allgemeinen das Wichtigste, um Unfälle zu verhindern», erklärt sie.

Ja, Rücksicht zu nehmen ist sehr wichtig. Aber: für die normalen Scooter gelten dieselben Regeln wie für Fussgänger*innen, also nicht die Fahrrad-Regeln. Jedenfalls für die sogenannten „human-powered“-Trottis, also die, die man mit reiner Muskelkraft beschleunigt – so wie früher.

Richtig Trottinett fahren will gelernt sein

Es ist wichtig, dass Kinder schon früh mit den Verkehrsregeln in Berührung kommen. Der Sportkoordinator René Lauper gibt darum Kurse für Kinder im Kindergarten oder Grundschulalter. In diesen eineinhalbstündigen Workshops lernen die Kinder, wie sie sich mit dem Scooter verhalten sollen. «Die Eltern kaufen die Geräte, denken sich, sie hatten früher ja auch ein Trotti und sind einfach damit rumgefahren», erzählt er. «Aber, dass sich das Verkehrsaufkommen in den letzten 30 Jahren stark verändert hat, ist den meisten zu wenig bewusst.»

Trotti-Lehrer René Lauper mit seinem geliebten Zwei-Räder

Deswegen sei es wichtig, dass die Kurse schon sehr früh angeboten werden. Neben den wichtigsten Verkehrsregeln lernen die Kinder auch, wie sie richtig bremsen können und welche potenziellen Gefahren es gibt. Der Schwerpunkt der Workshops liege daher darauf, ein Bewusstsein zu schaffen, dass es eben nicht nur ein „Fun-Gerät“ ist, sondern auch Gefahren birgt.

 

Das kann auch Meret bestätigen: «Das Trottinettfahren wird gefährlich, wenn die Strassen nass sind, weil es geregnet hat. Dann ist das Verletzungsrisiko viel höher und ich muss noch achtsamer sein. Man sollte nicht zu schnell fahren.» Doch sie fügt auch noch hinzu: «Trotzdem will ich mich davon nicht abhalten zu „tricksen“, denn es ist schon nochmal ein anderes Gefühl und macht mehr Spass, wenn es noch ein bisschen „slidet“!»

Trotti-Kurse sind sehr beliebt

René Lauper ist schweizweit der einzige Anbieter, der die „Scooter-kids-days“, also die Trotti-Kurse für Kinder, anbietet. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2008 haben schon über 72’000 Kinder an seinen Workshops teilgenommen. Und obwohl er eigentlich seit einem Jahr pensioniert ist, gibt er immer noch mehrere solcher Workshops in der Woche. Auftraggeber sind meistens Schulen, aber auch Elternverbände oder das Verkehrshaus Luzern.

Die E-Scooter Pandemie

Heute denken bei dem Begriff „Trotti“ viele Leute direkt an die sogenannten „E-Scooter“, also die elektrisch betriebenen Trottinette. Scooter-Experte René Lauper hat betreffend E-Mobilität eine klare Meinung: «Wenn wir von E-Scootern reden, müssen wir automatisch auch von allen anderen elektrisch unterstützen Fortbewegungsmitteln sprechen, wie zum Beispiel die E-Skateboards, die Hoverboards, Onewheels und so weiter», erklärt er. «Die haben mit human-powered Mobilität jedoch nichts mehr zu tun, man muss ja nur noch draufstehen und körperlich kaum etwas beisteuern.» Diese Geräte sind häufig auf den Strassen zu sehen, besonders in grösseren Städten wie Zürich, Bern oder Basel sind sie beinahe allgegenwärtig. Sie stehen am Strassenrand oder auf den Trottoirs rum oder flitzen – mit oft hoher Geschwindigkeit – an uns vorbei.

Für die einen ein tolles Angebot, für die anderen ein nerviges Hindernis im Strassenverkehr. Die Meinungen gehen besonders bei den Pick&Go-Anbietern weit auseinander. Es gibt gar Städte, welche die Trotti-Miet-Apps wie Lime, Bird und VOI mittlerweile verboten haben.

«Paris beispielsweise hat letztes Jahr die E-Scooter verboten, auch andere Städte äussern sich immer wieder, dass sie nicht mehr zuschauen können, wie die Geräte rumliegen», erzählt René Lauper. «Sie werden überall mitten auf dem Gehweg abgestellt, sie kippen, werden umgestossen, in Zürich sogar von Gegner*innen in den See geworfen.»

Unternehmen lässt sich dagegen nicht viel. Die Scooter stehen frei auf der Strasse und ausser via GPS können sie kaum überwacht werden.

Je schneller desto gefährlicher

Die E-Scooter sind aber nicht nur für das Auge schmerzhaft. Die hohen Geschwindigkeiten und der oft ungeübte Umgang mit diesen Scootern führen immer wieder zu leichten bis schweren Unfällen im täglichen Verkehr. Darum wollte ich von René Lauper wissen, ob Scooter-Kurse für Erwachsene eine mögliche Lösung wären.

«Ja, absolut! Besonders für die E-Scooter wäre das eine gute Sache. Ich erinnere mich, als die E-Bikes aufkamen, wurden auch direkt Kurse für Erwachsene angeboten. Diese wurden unter anderem vom TCS lanciert. Bei den E-Bikes geht es auch um höhere Geschwindigkeiten sowie die Nutzung derer auf Hauptstrassen. Warum sollte es dann bei Scootern anders sein?»

Wichtig sei auf jeden Fall, dass bei hohen Geschwindigkeiten ein Helm getragen wird, egal, ob auf dem Fahrrad oder dem Trottinett. Offizielle Regeln gibt es dafür jedoch noch keine, nur Empfehlungen.

 

Wie es in der Schweiz mit den E-Scootern weitergeht, ist noch nicht klar. Tendenziell ist mit einer weiteren Zunahme zu rechnen, da auch private Investitionen zum eigenen E-Scooter immer attraktiver werden. Ob schlussendlich neue Gesetze erlassen werden müssen, wird die Zukunft zeigen.

Noch liegt also vieles in unserer eigenen Verantwortung.

 

Text und Illustration von Giulia Di Romualdo

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